Nutzung von WhatsApp: Meist Rechtswidrig, Abmahnungen berechtigt

Manche Menschen haben sich ja zu Recht von den Massenmedien verabschiedet. Seltsam nur, dass diese dann WhatsApp auf ihrem Smartphone nutzen, als wäre nichts gewesen. Gründe gegen WhatsApp:

  1. WhatsApp musste gerichtlich dazu gezwungen werden, seine AGB’en auch auf Deutsch bereitzustellen. Geht’s noch?
  2. Die Übermittlung des gesamten Adressbuchs an WhatsApp ist technisch unnötig und widerspricht klar der DSGVO.
  3. Demnach verstößt der Anbieter wissentlich gegen europäisches Datenschutzrecht. Dies weiß nicht nur der Anbieter, sondern durch die öffentliche Berichterstattung auch jeder Nutzer.
  4. Ein Widerspruch gegen die Datenweitergabe von WhatsApp an Facebook ist nicht möglich, obwohl Gerichte diese Praxis bereits mehrfach untersagt haben (Stand 11/2019).

In der Vergangenheit habe ich mehrfach über die Folgen der Nutzung dieses Messengers berichtet. Im Folgenden liste ich sämtliche mir bekannten rechtlichen Bewertungen auf. Dabei handelt es sich um Gerichtsurteile, zitierte Artikel und Zitate von Personen.


Das Berliner Kammergericht verpflichtet WhatsApp zu (etwas) mehr Transparenz. Unter anderem muss der Messenger seine komplexen Nutzungsbedingungen nun auch in deutscher Sprache zugänglich machen.

Quelle: Netzpolitik.org vom 17.05.2016

Ingo Dachwitz für Netzpolitik.org

Wer den Messenger-Dienst „WhatsApp“ nutzt, übermittelt nach den technischen Vorgaben des Dienstes fortlaufend Daten in Klardaten-Form von allen in dem eigenen Smartphone-Adressbuch eingetragenen Kontaktpersonen an das hinter dem Dienst stehende Unternehmen. Wer durch seine Nutzung von „WhatsApp“ diese andauernde Datenweitergabe zulässt, ohne zuvor von seinen Kontaktpersonen aus dem eigenen Telefon-Adressbuch hierfür jeweils eine Erlaubnis eingeholt zu haben, begeht gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung und begibt sich in die Gefahr, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt zu werden.

Quelle: Bürgerservice Hessenrecht
Weitere Informationen: dejure.org

Beschluss des Amtsgericht Bad Hersfeld vom 20.03.2017 mit Aktenzeichen F 111/17 EASO

Es liegt in der Hand von WhatsApp, das automatisierte Auslesen der Adressbücher zu beenden oder zumindest dem Nutzer die Möglichkeit zu lassen, nur von ihm markierte Adressdaten weiterzuleiten, für die er dann eine Einwilligung eingeholt hat. [Anmerkung: Diese Möglichkeit bietet WhatsApp jedoch bis heute nicht.]

Quelle: ZEIT ONLINE vom 27.06.2017

Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter für Hamburg

Thüringens Datenschutzbeauftragter Lutz Hasse hat mit Verweis auf ein Gerichtsurteil davor gewarnt, Whatsapp privat zu nutzen. 99 Prozent seiner deutschen Nutzer verhielten sich „deliktisch“, wenn sie den Dienst nutzen, sagte Hasse am Mittwoch bei der Vorstellung seiner Tätigkeitsberichte für 2016 und 2017. Denn wer Whatsapp nutze, erlaube dem Dienst, alle Kontaktdaten seines Smartphones auszulesen. Diese Zustimmung dürfe jemand Whatsapp aber nur geben, wenn alle Menschen, die im Adressbuch des Nutzers stehen, dem zugestimmt hätten. Da es solche vollständigen Einwilligungen aber in der Realität praktisch nie gebe, sei die Nutzung des Dienstes in der Regel rechtswidrig, sagte Hasse. Diese Sicht von Datenschützern habe 2017 auch das Amtsgericht Bad Hersfeld in einem Urteil bestätigt. „Diese Entscheidung betrifft alleine Privatleute“, sagte Hasse.

Quelle: Heise Online vom 28.02.2018

Lutz Hasse, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Thüringen, am 28.02.2018

Schon letztes Jahr schätzte Rechtsanwalt Christian Solmecke für CHIP das Urteil ebenfalls als kritisch ein: Er vertrete „bereits seit längerem die Ansicht, dass Nutzer sich illegal verhalten, wenn sie die Daten an das Unternehmen weitergeben“. Im Ergebnis „ist es potenziell tatsächlich möglich, andere Nutzer abzumahnen.“ Fälle, in denen es bereits zu einer Abmahnungen gekommen ist, seien nicht bekannt – das könne sich nach dem nun ergangenen Urteil aber ändern.

Quelle: CHIP vom 04.03.2018

Rechtsanwalt Christian Solmecke

Der Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Cornelius Matutis, geht davon aus, dass die Nutzung von WhatsApp durch Unternehmen nach Inkrafttreten der DSGVO rechtswidrig sein wird. Denn Unternehmer die WhatsApp nutzen, geben der App automatisch Zugriff auf die im Handy gespeicherten Kontakte. Hierbei handelt es sich um die Übertragung personenbezogener Daten an ein Unternehmen in den USA. Grundsätzlich sei dies nur mit vorheriger Einwilligung des entsprechenden Kontaktes möglich. „Erfolgt keine Einwilligung, handelt es sich um Datenweitergabe, die gegen Art. 6I DSGVO verstößt. Zudem stellt die Weitergabe eine Auftragsdatenverarbeitung dar. Eine solche Weitergabe erfordert zwingend einen Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung zwischen Unternehmer und WhatsApp.“ Typischerweise werde diese Voraussetzung aber nicht erfüllt und Unternehmen nutzen damit WhatsApp rechtswidrig, wenn die DSGVO vollständig in Kraft tritt.

Quelle: IP Insider vom 18.05.2018

Cornelius Matutis, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, im Interview mit Dr. Stefan Riedl von IP Insider am 18.05.2018

Die Landesbeauftragte für Datenschutz des Landes Schleswig-Holstein, Marit Hansen, warnt vor möglichen Folgen: Sowohl nach jetzigem als auch nach dem neuen Datenschutzrecht [DSGVO] handle es sich bei der Weitergabe solcher Daten „ohne Rechtsgrundlage oder Einwilligung um einen Datenschutzverstoß“, sagte sie der „Welt“. Ab Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung am 25. Mai könnten solche Verstöße mit hohen Bußgeldern geahndet werden. Betroffenen riet Hansen, sich von Anfang an rechtskonform zu verhalten.

Quelle: NEUE OZ vom 21.05.2018

NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG vom 21.05.2018

Wir halten es nicht für akzeptabel, die Erfüllung von Gesetzen zum Datenschutz einseitig auf die Nutzer zu übertragen.

Quelle: Handelsblatt, SPIEGEL, ZEIT, ZEIT

Elmar Degenhart, Vorstandschef Continental, am 05.06.2018

Zum Beispiel WhatsApp. Der Messenger-Dienst, der bekanntlich zu Facebook gehört, verstößt aus meiner Sicht an mehreren Stellen ganz klar gegen europäisches Recht. Und damit meine ich nicht nur, dass WhatsApp-Daten ungefragt und in großem Umfang von Facebook verwendet werden. Klar gegen Europarecht verstößt der Umstand, dass alle, die den Dienst nutzen wollen, ihre kompletten Kontakte an WhatsApp übertragen müssen – obwohl diese Daten für die eigentliche Funktionalität von WhatsApp überhaupt nicht erforderlich sind. Und das Problem dabei ist: In die Übertragung kann ich gar nicht in vollem Umfang wirksam einwilligen, da es sich ja sich auch um Daten Dritter handelt. […]

Quelle: Legal Tribune Online vom 21.12.2018

Ulrich Kelber (SPD), Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, am 21.12.2018, im Interview mit Legal Tribune Online (LTO)

Tim Wu entschuldigte die Regierung Barack Obamas, in der er selber ein Berater für Wettbewerb war, für ihr mangelndes Vorgehen gegen Facebook: „Als Mark Zuckerberg zur Federal Trade Commission kam und sagte: ‚Oh, es tut mir so leid wegen der Verstöße gegen den Datenschutz, aber ich bin ein junger Mann. Ich wusste nicht, was ich tat. Wir werden es nie wieder tun‘, glaubte ihm jeder und wir ließen unsere Klagen gegen ihn fallen. Aber in Wirklichkeit wurden wir reingelegt.“

Quelle: Netzpolitik.org vom 11.07.2019

Tim Wu, ehemaliger Obama-Berater, fordert die Zerschlagung von Facebook

Nach Ansicht der LfD Niedersachsen stellt der Einsatz von WhatsApp einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 DSGVO dar, nach dem der Datenschutz durch die Gestaltung der Technik und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen gewährleistet werden muss. Das automatische Synchronisieren der Adressbuchdaten durch WhatsApp verstoße gegen das Gebot der Datensparsamkeit aus Art. 5 Abs. 1 c DSGVO. WhatsApp stellt keine Möglichkeit bereit, diese Übermittlung zu deaktivieren, auf einzelne Kontaktgruppen zu beschränken oder sonst die Übermittlung zu konfigurieren. Zum anderen werde mit WhatsApp ein Anbieter ausgewählt, der personenbezogene Daten in einer Art und Weise verarbeitet, die mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen sei. Unternehmen, die WhatsApp ohne Weiteres einsetzen, ergreifen damit gerade nicht geeignete und angemessene technische und organisatorische Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO. […]

Quelle: Legal Tribune Online vom 03.08.2019

Tobias Neufeld LL.M. für Legal Tribune Online (LTO)

Wie kann ich WhatsApp legal nutzen?

Sie möchten die App völlig legal benutzen? Dann müssen Sie das hier tun:

  1. Sie holen von jedem Ihrer Kontakte eine schriftliche Einverständniserklärung ein, die Sie berechtigt, die Telefonnummer und den Namen mit WhatsApp und dem Facebook-Konzern zu teilen. Sie benötigen die Einverständniserklärung von jedem Ihrer Kontakte, also auch von denen, die kein WhatsApp nutzen, da dieses ja sämtliche Kontakte überträgt.
  2. Da Sie nicht wissen, ob die Inhaltsverschlüsselung seitens des Anbieters umgangen werden kann (private Schlüssel liegen schließlich auf den Servern), holen Sie von Ihren Kontakten auch das Einverständnis ein, dass Kommunikationsinhalte mitgelesen und ausgewertet werden können.
  3. Alternativ zu (1.) können Sie auch ein separates Mobiltelefon nutzen, auf dem keinerlei Kontakte gespeichert sind. Dann können Sie jedoch in WhatsApp niemanden anschreiben. Wie unpraktisch.
  4. Alternativ zu (1.) nutzen Sie ein separates Mobiltelefon und reduzieren dort die Kontakte auf diejenigen, von denen Sie eine Einverständniserklärung tatsächlich erhalten haben.
  5. In allen Fällen müssen Sie nun noch mit WhatsApp einen Vertrag über die Auftragsverarbeitung schließen. Viel Spaß dabei. Sollte sich WhatsApp tatsächlich bei Ihnen melden, wäre ich an der Antwort sehr interessiert.

Fazit

Im geschäftlichen Umfeld hat WhatsApp nichts zu suchen. Firmen wie Continental und BMW haben die App nicht aus Spaß unternehmensweit verboten! Auch im privaten Umfeld dürfte der WhatsApp-Gebrauch rechtswidrig sein. Dass Abmahnungen eher unwahrscheinlich sind, ist nur ein vorübergehender Trost, denn sie sind nicht undenkbar und wären berechtigt. Denn wenn der Nutzer den AGB’en von WhatsApp zutimmt, ist das keine Entschuldigung für die rechtswidrige Weitergabe von perönlichen Daten an WhatsApp/Facebook, sondern sogar ein ignorantes Verhalten wider besseren Wissens, das vor Strafe nicht schützen kann. Grober Unfug und in jedem Fall unnütz ist die Aussage vieler WhatsApp-Nutzer, dass andere Nutzer ja denselben Bedingungen zugestimmt hätten. Dritte haben dem nämlich nicht zugestimmt, ihre persönlichen Daten werden aber trotzdem und ohne Zustimmung an den Anbieter übermittelt.

Weitere Quellen